Erektile Dysfunktion bei Diabetes mellitus
Diabetes ist eine wichtige Ursache der erektilen Dysfunktion, die bei Diabetikern häufig vorkommt. Sie kann bei 35 % aller Diabetiker auftreten und nimmt bei Männern im Alter über 50 Jahre auf über 50 % und mit höherem Alter sogar noch weiter zu.
Erektile Dysfunktion kann zu einem beträchtlichen Verlust an Selbstachtung führen und die Lebensqualität senken, was wiederum die Motivation der Betroffenen zur Kontrolle des Diabetes verringern kann. An der Versorgung von Diabetikern beteiligte Fachkräfte des Gesundheitswesens sollten aktives Screening oder zumindest ein gutes Informationsprogramm betreiben.
Diabetes ist eine chronische Stoffwechselerkrankung mit zahlreichen Komplikationen und Begleitfaktoren, die zur erektilen Dysfunktion prädisponieren. Es gibt daher eine Menge Gründe für die hohe ED-Inzidenz bei Männern mit Diabetes, die in Tabelle 29 genannt werden. Beim Typ-1-Diabetes geht die erektile Dysfunktion mit folgenden Faktoren einher:
- Alter des Patienten
- Dauer des Diabetes
- Grad der Kontrolle (Blutspiegel an glykosyliertem Hämoglobin)
- Vorliegen einer Mikroangiopathie
- kardiovaskuläre Risikofaktoren und/oder Erkrankung(en). Auch für den Typ-2-Diabetes gelten die oben erwähnten Faktoren, wobei jedoch die kardiovaskulären Risikofaktoren und/oder Erkrankungen möglicherweise überwiegen.
Die Ziele moderner Diabeteskontrolle sind mittlerweile ziemlich strikt und darauf abgestellt, sowohl die Mikroangiopathie als auch die kardiovaskuläre Gefährdung zu verringern (Tab. 30). Solche Ziele zu erreichen, erfordert oft die gleichzeitige Therapie mit mehreren Medikamenten, von denen einige ihrerseits mit einer erhöhten ED-Inzidenz einhergehen.
Liste 1: Ursachen einer hohen ED-Inzidenz bei Diabetes
- Stress infolge des Lebens mit einer chronischen Erkrankung
- metabolische Auswirkungen der Hyperglykämie und exzessive
Proteinglykosylierung - Erkrankungen des Penis: Balanitis, Phimose, Induratio penis plastica
- vorzeitiges Altern und vorzeitige Degeneration der glatten Muskulatur der
Corpora cavernosa - Funktionsstörung des Endothels
- mikovaskuläre Komplikationen und Myopathie der glatten Muskulatur
- Neuropatie sensibler Nerven und des autonomen Nervensystems
- Mikroangiopathie und ihre Risikofaktoren, Behandlung und Folgen
- Hypertonie und ihre Therapie
Dazu gehören:
● orale Antidiabetika
● Antihypertonika in Mehrfachtherapie
● Lipidsenker.
Bei der Auswahl von Antihypertonika ist es ratsam, den Patienten nach dem Funktionieren seiner Erektion zu fragen und für seine Bedürfnisse in dieser Hinsicht sensibel zu sein. ACE-Hemmer, Angiotensin-2 Antagonisten sowie Alpha-Blocker und Vasodilatatoren wirken sich vielleicht am wenigsten in besonderer Weise auf die erektile Dysfunktion aus. Betablocker und Diuretika hingegen haben höchstwahrscheinlich eine unerwünschte Wirkung.
Ätiologie
Im Verlauf eines Typ-2-Diabetes tritt die erektile Dysfunktion schon früher auf und kann sogar das Symptom sein, das den Patienten zum Arzt führt. Jeder Patient mit ED sollte daher auf einen unerkannten Diabetes hin untersucht werden, der bei bis zu 16 % dieser Männer vorliegen kann. Eine erektile Dysfunktion bei Diabetikern kann durch dieselben Ursachen ausgelöst werden, die auch bei Nichtdiabetikern zur ED führen. Bei den meisten Diabetikern ist sie möglicherweise multifaktoriell bedingt.
In letzter Zeit sind Struktur und Funktion der glatten Muskulatur und des Endothels in den Mittelpunkt des Interesses gerückt. Von besonderer Bedeutung sind möglicherweise die Degeneration und Funktionsstörung der Endothelzellen in Zusammenhang mit Glykierungsendprodukten, die sich negativ auf die aktivierten NO-Stoffwechselwege auswirken. Bei Diabetes fi ndet sich eine erhöhte ED-Inzidenz, oft in Verbindung mit Dupuytren-Kontrakturen der Hände, einem weiteren Zeichen für die Kollagendegeneration. Auf Grund der oben genannten Faktoren ist die erektile Dysfunktion bei diabetischen Männern oft stark ausgeprägt und vollständig.
Therapie
Für den Diabetiker mit erektiler Dysfunktion eignen sich alle Formen der Therapie, und die Auswahl sollte sich ebenso wie beim nicht-diabetischen Mann nach Verfügbarkeit, Eignung und persönlicher Präferenz richten. Auf Grund der starken Ausprägung der ED ist die jeweilige Behandlung u. U. nicht so effektiv, indessen kann den meisten Männern durch die eine oder andere verfügbare Behandlung geholfen werden.
Erektile Dysfunktion bei Hypertonie
Die Hypertonie ist eine häufige Erkrankung und betrifft – sofern zur Definition ein Blutdruck von mehr als 140/90 mmHg dient – bis zu 41 % der Männer und 33 % der Frauen. Bei Männern mit Hypertonie kommt die erektile Dysfunktion häufiger und in stärkerer Ausprägung vor und kann in mäßiger bis schwerer Form bei bis zu 60 % der Betroffenen vorliegen. Zwar werden als Auslöser oft Antihypertonika angeführt, ein bedeutender ätiologischer Faktor ist jedoch die Hypertonie selbst.
Zu den Faktoren einer hohen ED-Inzidenz bei hypertonen Männern gehören:
- Arteriosklerose
- gestörte Funktion der Endothelzellen
- gestörter NO-cGMP-Stoffwechselweg
- überschießende Aktivität und überhöhter Tonus des sympathischen Nervensystems
- hohe Inzidenz weiterer kardiovaskulärer Risikofaktoren (Diabetes, Rauchen, Dyslipidämie)
- Antihypertonika
- exzessiver Alkoholkonsum.
Bei bereits entsprechend anfälligen Männern können Antihypertonika eine erektile Dysfunktion verstärken oder auslösen, und zwar auf Grund folgender Wirkungen dieser Substanzen:
- zentrale Wirkung auf das Gehirn
- verminderte periphere Durchblutung des Penis
- negative Auswirkungen auf die Endothelzellfunktion und den NOcGMP- Stoffwechselweg.
Eine Therapie mit Antihypertonika sollte weitestgehend individuell zugeschnitten werden. Der Patient sollte nach dem Funktionieren seiner Erektion gefragt weden, und der Arzt sollte zu Beginn einer Behandlung oder bei Erhöhung der Dosis in diesem Punkt entsprechend sensibel sein. Die Medikamente mit der vielleicht niedrigsten Inzidenz einer ED als Nebenwirkung sind:
- alpha-blockierende Vasodilatatoren
- ACE-Hemmer
- Angiotensin-2-Antagonisten.
Umstellen einer Antihypertonikatherapie bei ED
Das Modifizieren einer Therapie mit Antihypertonika bei Männern mit ED bleibt leider oft ohne Erfolg, sofern nicht defi nitiv ein zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Einsetzen einer erektilen Dysfunktion und der Einnahme eines bestimmten Medikaments besteht. Alle Männer, die einer erektilen Dysfunktion wegen in die Sprechstunde kommen, sollten auf eine Hypertonie hin untersucht werden.
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