Erektile Dysfunktion bei koronarer Herzkrankheit
ED bei koronarer Herzkrankheit
Noch immer lebt der jahrhundertealte Mythos, sexuelle Betätigung und Geschlechtsverkehr seien gefährlich und könnten zum plötzlichen Tod führen. Trotz einer Flut beruhigender gegenteiliger Beweise machen sich Patienten, ihre PartnerInnen und manche Fachkräfte in der Gesundheitsversorgung noch immer Sorgen darüber. Viele Männer mit koronarer Herzkrankheit (KHK) leiden an erektiler Dysfunktion und umgekehrt, auch wenn Letzteres oft verborgen sein kann.
Im Zusammenhang mit ED und KHK muss Folgendes berücksichtigt werden:
- die Bedeutung der ED bei Männern mit KHK
- die Bedeutung der KHK bei Männern mit ED
- Herz-Kreislauf-Erkrankung und Gefahren sexueller Aktivität
- Myokardinfarkt, sexuelle Betätigung bzw. Geschlechtsverkehr und Rehabilitation
- Sicherheit von ED-Therapien bei Männern mit KHK. Männer mit bekannter Herz-Kreislauf-Erkrankung haben oft auch eine erektile Dysfunktion.
Eine unerkannte Herz-Kreislauf-Erkrankung ist bei Männern mit erektiler Dysfunktion häufig und umfasst:
- Diabetes
- Hypertonie
- ischämische Herzerkrankung
- ein peripheres Gefäßleiden.
Studien sprechen dafür, dass die ED-Inzidenz mit dem Schweregrad einer koronaren Herzkrankheit ansteigt. Die Ursachen einer ED bei KHK sind wahrscheinlich multifaktoriell und werden in Tabelle 32 umrissen.
Ist Sex gefährlich?
Unter normalen Umständen bedeutet sexuelle Aktivität körperliche und emotionale «Belastung», ist jedoch im Vergleich zu anderen Alltagsaktivitäten nicht unangemessen anstrengend. Hellerstein hat dies gut zusammengefasst:
«Die körperliche Beanspruchung durch Sex ist kurz, niederfrequent und mäßig … Vergleichbare kardiovaskuläre Belastungen begegnen dem typischen bewegungsarmen, unfi tten Mann mittleren Alters bei den üblichen, nur wenig Energie benötigenden Tätigkeiten häufi g.»
Innerhalb der auf sexuelle Betätigung folgenden zwei Stunden ist die Gefahr eines Myokardinfarktes zwar erhöht, aber nur sehr gering. Die Risiken zeigt. Insgesamt beträgt das Risiko, dass sexuelle Betätigung zu einem Myokardinfarkt führt, weniger als 1 % der Fälle. Diese Statistik sollte beruhigend wirken.
Ursachen einer erektilen Dysfunktion bei Männern mit koronarer Herzkrankheit
● Furcht, Angst, Depression
● gemeinsame Risikofaktoren: Lipide, Rauchen, Diabetes, Hypertonie
● Atherosklerose
● medikamentöse Therapie
● partnerbedingte Faktoren
Absolute Risiken bei sexueller Aktivität /Geschlechtsverkehr und Myokardinfarkt Herz-Kreislauf-System Häufigkeit ohne vorheriges kardiovaskuläres Ereignis
- 1/1 000 000 pro Stunde sexueller Betätigung täglich
- 2/1 000 000 pro Stunde postkoital mit vorherigem kardiovaskulärem Ereignis
- 10/1 000 000 pro Stunde Betätigung täglich
- 30/1 000 000 pro Stunde postkoital
Auch die relativen Risiken sind niedrig (Tab. 35) und die Vorteile regelmäßiger körperlicher Aktivität offensichtlich. Der physiologische Aufwand bei sexueller Aktivität gleicht dem bei vielen alltäglichen Verrichtungen und lässt sich anhand der Wirkung auf Herzfrequenz und Blutdruck oder als metabolisches Äquivalent (MET) bestimmen.
Das metabolische Äquivalent ist definiert als relativer Energiebedarf des Sauerstoffverbrauchs in Ruhe und beträgt etwa 3,5 ml O2/kg KG/min. Diese Effekte werden in Tabelle 36 und 37 dargestellt.
Sexuelle Dysfunktion nach Myokardinfarkt
Nach einem Myokardinfarkt (MI) machen sich der Mann und seine Partnerin bzw. sein Partner u. U. Sorgen hinsichtlich einer Wiederaufnahme sexueller Aktivitäten. Aus Verlegenheit suchen sie möglicherweise nur widerstrebend medizinischen Rat. Die Beratung hinsichtlich sexueller Aktivität sollte Routinebestandteil der Rehabilitation nach Myokardinfarkt oder einem sonstigen bedeutsamen kardiovaskulären Ereignis sein. Ursachen einer erektilen Dysfunktion nach Myokardinfarkt sind u. a.:
- Furcht, Angst, Depression
- Herzsymptome
- Sorgen der Partnerin/des Partners
- medikamentöse Therapien
- eine bereits bestehende ED.
Betreuung: Bei der Betrachtung einer erektilen Dysfunktion nach Myokardinfarkt sollte das Ziel im Wiederherstellen einer sexuellen Aktivität in der Intensität bestehen, wie sie das Paar vor dem Infarkt hatte. Gelingt dies nicht, so hängt dies in der Regel eher mit Furcht und Angst als mit der Schwere des Infarktes selbst zusammen.
Die Betreuung sollte umfassen:
● sensible Erörterung und Beratung
● Berücksichtigung der Umstände und der Partnerin/des Partners
● Beruhigen des Patienten und der Partnerin/des Partners.
Unter Umständen nützt es, die Übungen zur sensorischen Fokussierung von Masters und Johnson anzusprechen, die dabei helfen können, Paare zu beruhigen und die Kommunikation zu verbessern. Masturbation kann Männern und ihren PartnerInnen die Sicherheit geben, dass sich ein Orgasmus überleben lässt!
Risikoeinschätzung
Wichtig ist, den jeweiligen Energieaufwand für eine voraussichtlich sexuelle Aktivität mit anderen Alltagsaktivitäten, die vertragen werden, zu vergleichen und den Grad der kardiovaskulären Gefährdung zu bestimmen. Das Risiko lässt sich anhand des kardiovaskulären Status einstufen. Eine solche Gradeinteilung wurde in Konsensuserklärungen allgemein beschlossen und veröffentlicht.
Therapie der erektile Dysfunktion bei Patienten mit Herz-Kreislauf- Erkrankung
Angenommen, das Grading und eine angemessene Therapie der Herz- Kreislauf-Erkrankung sind abgeschlossen, so kann nun die erektile Dysfunktion angegangen werden. Jede Behandlungsmodalität sollte erwogen werden. Bedenken hinsichtlich einer Behandlung betreffen mögliche Probleme mit Warfarin und Nitraten.
Warfarin (Marcumar) ist eine relative Kontraindikation, falls der Einsatz einer Vakuum-Erektionshilfe (Petechien, Hämatom) oder MUSE (Blutung) erwogen werden.
Nitrate sind kontraindiziert, wenn es um eine orale Behandlung mit PDE-5-Hemmern geht. Sie werden nicht nur bei Angina, sondern auch bei anderen medizinischen Indikationen sowie zur Entspannung in der Freizeit eingesetzt, und daran sollte gedacht werden.
Für die gleichzeitige Anwendung von Nitraten gilt Folgendes:
● Sie sind eine absolute Kontraindikation.
● Erörtern Sie alternative ED-Therapien.
● Erwägen Sie das Absetzen der Nitrate.
Sildenafil und andere PDE-5-Hemmer und koronare Herzkrankheit
● gute Verträglichkeit
● wirksam bei 60 bis 80 % der Männer
● ähnliche kardiovaskuläre Wirkung wie die Nitrate
● keine Wirkung auf die Herzfrequenz
● keine Wirkung auf das Ruhe- oder Belastungs-EKG
● leichtes Absinken des Blutdrucks: systolisch 8 bis 10 mmHg, diastolisch 4 bis 6 mmHg
● keine erhöhte Inzidenz für Tod, Myokardinfarkt oder Schlaganfall
Nitrate sind bei KHK-Patienten nicht von prognostischer Bedeutung, sondern eine symptomatische Therapie. In vielen Fällen können sie abgesetzt oder durch alternative Wirkstoffe gegen Angina pectoris, wie z. B. Kalziumantagonisten oder Betablocker, ersetzt werden. Kurz wirksame Nitrate sollten nicht innerhalb von 12 Stunden nach der Einnahme eines PDE-5-Hemmers eingenommen werden und umgekehrt. Lang wirksame Nitrate sollten nicht innerhalb von 1 Woche nach der Einnahme eines PDE-5-Hemmers eingenommen werden und umgekehrt.
Ein vernünftiges Vorgehen in solch einer Situation ist:
Störende Angina pectoris:
- Erwägen von Kalziumantagonisten und/oder Betablockern
- Untersuchen mittels Belastungstest und -EKG; Überweisen an einen Kardiologen
- Verschieben der ED-Behandlung auf einen späteren Zeitpunkt
Keine Angina:
- Absetzen lang wirksamer Nitrate für 1 Woche
- Anhalten zu körperlicher Betätigung
- Beraten zu kurz wirksamen Nitraten
- Verschreiben von Sildenafi l bei Ausbleiben der Angina; Einsatz kurz wirksamer Nitrate definitiv ausschließen
Erneutes Auftreten der Angina:
- Verschreiben von Kalziumantagonisten und/oder Betablockern
- Überweisen an einen Kardiologen, falls Patient nicht anspricht
- Beginnen mit Sildenafil, wenn Patient anginafrei
Home »