Diagnostik und Beurteilung einer ED
Diagnose
Die Ursache einer erektilen Dysfunktion herauszuarbeiten ist wichtig, weil viele dadurch belastete Männer es vielleicht aus Verlegenheit nur ungern als solches eingestehen. Und Fachkräften in der Gesundheitsversorgung geht es u. U. ebenso, da ihnen das Selbstvertrauen im Umgang damit fehlt. Ein Weg zur Bewältigung des Problems ist das Screening auf Hochrisikopatienten, etwa in Diabetes- oder Herz-Kreislauf-Ambulanzen. Alternativ können Poster und Broschüren zur Patienteninformation hilfreich sein. Letztere geben auch den Partnerinnen Gelegenheit, das Thema anzusprechen, und ermöglichen Paaren eine eingehendere Erörterung des Problems.
Anamnese
Eine komplette Anamnese der Beschwerden ist der wichtigste Teil der Untersuchung und sollte Einzelheiten des Sexualproblems sowie des allgemeinen Gesundheitszustandes erfassen, um eine Grunderkrankung oder zu Grunde liegende Risikofaktoren zu erkennen. Auch kulturelle und soziale Belange müssen berücksichtigt werden. Männer sollten dazu ermutigt werden, möglichst mit ihren Partner- Innen in die Sprechstunde zu kommen, werden jedoch gewöhnlich allein erscheinen. Dennoch muss die Partnerin bzw. der Partner mitberücksichtigt werden, da auch sie/er signifikante Probleme haben kann.
Die meisten Männer haben eine echte erektile Dysfunktion mit der Unfähigkeit, eine zur sexuellen Befriedigung ausreichende Erektion zu bekommen oder aufrechtzuerhalten. Es ist jedoch wichtig, das Problem genau zu umreißen, denn eine erektile Dysfunktion kann eine Reihe von Problemen sowohl organischer als auch psychischer Natur umfassen, von denen einige in Tabelle 2 wiedergegeben sind. Indessen kommt es nicht nur darauf an, das Problem genau zu erfassen, sondern es müssen auch die vermutlichen Ursachen sicher herausgearbeitet werden, um eine vernünftige Erklärung für die Störung zu haben und eine mögliche Therapie begründen zu können. In dieser Hinsicht ist auch eine Anamnese der Partnerin bzw. des Partners oder deren/dessen Einstellung wichtig. Unter Umständen lohnt es sich auch darüber nachzudenken, ob die Störung überwiegend psychischer oder organischer Natur ist. In dieser Hinsicht gelten die in Tabelle 1 zur Unterscheidung aufgeführten Faktoren als nützlich. Auch eine komplette medizinische Anamnese ist vor allem im Hinblick auf eine kardiovaskuläre Gefährdung wichtig und sollte eine Medikamentenanamnese enthalten. Abbildung 3 zeigt ein Beispiel für eine Checkliste zur klinischen Beurteilung.
Es gibt validierte Fragebögen, mit deren Hilfe sich die Sexualfunktion des Mannes und der Partnerin bzw. des Partners detailliert erfassen lässt. Zwar sind sie in der klinischen Routine nicht erforderlich, können jedoch unter besonderen Umständen sowie zu Forschungszwecken von Nutzen sein.
Nützliche Standardfragen (Tab. 3) können u. a. lauten:
- Wie lässt sich die Störung genau beschreiben? Unfähigkeit, eine Erektion zu bekommen bzw. aufrechtzuerhalten – Häufigkeit, Schweregrad – Vorliegen oder Fehlen einer spontanen oder selbststimulierten Erektion. Handelt es sich um ein anderes Problem, z. B. eine Ejakulationsstörung, eine Libidostörung, Induratio penis plastica etc.?
- Wann begann es, und seit wann ist es ein Problem?
- Was halten Sie für die Ursache? Bei manchen Männern findet sich ein fester Zusammenhang mit dem Beginn bestimmter Erkrankungen oder der Einnahme bestimmter Medikamente. Es lohnt sich zu fragen, ob der Mann die Ursache für psychisch oder organisch hält. Ferner kann sich zu prüfen lohnen, ob es prädisponierende, das Auftreten beschleunigende, verstärkende und/oder unterhaltende Faktoren gibt.
- Warum ist es ein Problem, und welche Einstellung hat die Partnerin/ der Partner dazu? Sexualfunktionen im Allgemeinen und Beziehungsfragen im Besonderen sollten erörtert werden. Die Partnerin bzw. der Partner sollte stets gebeten werden, ebenfalls teilzunehmen, die meisten Männer werden jedoch zunächst allein in die Sprechstunde kommen.
- Welche Formen der Behandlung kennen Sie, und wie möchten Sie vorgehen?
Viele Männer werden über diverse Therapien informiert sein, manche werden jedoch keinerlei Vorstellung haben. Manche Männer möchten keine Therapie, sind jedoch froh, über ihr Problem sprechen zu können und es erklärt zu bekommen. Wichtig ist, alle therapeutischen Optionen auch zu erwähnen.
Körperliche Untersuchung
Die körperliche Untersuchung ist nicht nur wichtig, um beim Bestimmen der wahrscheinlichen Ursache einer ED zu helfen, sondern auch, um das Vorliegen anderer bedeutsamer Erkrankungen abzuklären, die evtl. aus der Anamnese aufscheinen, und schließlich, um sicherzugehen, dass gewisse Formen der physikalischen Therapie praktikabel und gefahrlos sind. Entscheidend ist, das Genitale, das Herz-Kreislauf-System und das Endokrinium zu untersuchen. Unter Umständen müssen auch das Nervensystem und andere Systeme untersucht werden, falls die Anamnese für einen relevanten oder bedeutsamen pathologischen Zustand spricht (Tab. 9). Das Genitale sollte auf Anomalien des Penis einschließlich Größe und Form sowie auf das Vorliegen einer Phimose oder einer Induratio penis plastica untersucht werden. Das Hodenvolumen sollte beurteilt und nach anderen Zeichen eines Hypogonadismus gesucht werden. Falls etwas für diese Krankheiten spricht, sollte auch auf Zeichen einer Unterfunktion der Hypophyse oder einer Schilddrüsenerkrankung geachtet werden. Die Untersuchung des Herz-Kreislauf-Systems sollte die Messung des Blutdrucks und der Pulsfrequenz sowie die Auskultation des Herzens umfassen.
Laboruntersuchungen
Die einzige entscheidende Laboruntersuchung besteht im Ausschluss eines Diabetes und sollte eine Bestimmung der Plasmaglukose aus venösem Blut sowie die Bestimmung des glykosylierten Hämoglobins umfassen. Weitere allgemeine Untersuchungen hängen vom Ergebnis der Anamnese und der körperlichen Untersuchung (Tab. 10) ab und könnten Folgendes beinhalten:
- Lipidprofi l bei Gefäßerkrankung
- Testosteron bei Verdacht auf verminderte Libido und/oder Hypogonadismus
- Prolaktin, LH und FSH bei vermindertem Testosteron
- Kulturen in der Mikrobiologie bei Verdacht auf eine Infektion
- prostataspezifisches Antigen (PSA)
bei Verdacht auf ein Prostatakarzinom oder geplanter Androgentherapie. Ist ein operativer Eingriff durch einen Spezialisten abzusehen, sind u. U. Spezialuntersuchungen erforderlich.
Aufklärungsgespräch
Im letzten Teil der Untersuchung und Beurteilung sollten die verschiedenen Behandlungsoptionen, ihre Vor- und Nachteile sowie ihre individuelle Eignung erörtert werden. Erläuternde Informationsblätter können für das Gespräch des Mannes mit seiner Partnerin bzw. seinem Partner hilfreich sein.