Rolle des G-punktes & der Beckenbodenmuskulatur
Die Rolle des G-Punktes bei der Ejakulation
Die weibliche Ejakulationsflüssigkeit wird in der Prostata produziert. Der G-Punkt ist beides: die Prostata sowie ein Netzwerk erektilen Gewebes, das den Schwellkörpern des Penis ähnelt. Wie bereits dargelegt, erstreckt sich dieses Gewebe über den G-Punkt hinaus. Es umfasst die Klitoris, die Klitorisschenkel, den Damm- Schwellkörper (am Anus) und den Harnröhren-Schwellkörper (in der Vulva). Wenn der G-Punkt stimuliert wird, füllt sich dieses schwammartige Gewebe mit Blut und dehnt sich aus, sodass es die weibliche Prostata und den größten Teil der Harnröhre umschließt. Wenn der G-Punkt erregt und angeschwollen ist (technisch ausgedrückt: wenn das erektile Gewebe mit Blut und die darin liegenden Drüsen mit Flüssigkeit gefüllt sind), spürt man ihn durch die Wand der Vagina hindurch. Der G-Punkt ist also nicht nur ein Punkt an der Wand der Vagina. Er ist ein Organ, das man durch die Vaginalwand hindurch fühlen und stimulieren kann.
G-Punkt ertasten
Der Bereich der Vaginalwand, an dem man den G-Punkt ertasten kann, ist leicht geriffelt. Frauen finden ihren G-Punkt am leichtesten, wenn sie einen Finger drei bis fünf Zentimeter tief in die Vagina einführen und auf der Bauchseite gegen die Harnröhre drücken. Dort sollten die feinen Rillen fühlbar sein. Sie können auch Ihren Partner bzw. Ihre Partnerin bitten, sich mit dem Gesicht zu Ihnen zwischen Ihre Schenkel zu setzen und seinen bzw. ihren Finger in Ihre Vagina einzuführen. Auf diese Weise können Sie den G-Punkt besser fühlen und gleichzeitig dem Partner bzw. der Partnerin zeigen, wo genau er sich befindet. Ein Psychologe beschrieb in einer Chatgruppe zum Thema G- Punkt im Internet, welche Erfahrung er mit dem G-Punkt seiner Partnerin gemacht hat:
Mit dem Finger stimuliere ich den G-Punkt meiner Liebsten. Die Drüsen schwellen immer stärker an und heben sich nun deutlich vom umliegenden Gewebe ab. Der G-Punkt bekommt eine unregelmäßige Oberfläche, die Vaginalwand fühlt sich an dieser Stelle knotig an, als säßen winzige Erbsen unter der Oberfläche der vorderen Vaginalwand. Ich bin ziemlich sicher, dass diese kleinen Perlen die Ausbuchtungen der Prostata sind.
Verschiedene Arten
Wie die Vulva (der äußere Teil des Geschlechtsorgans) sich von Frau zu Frau unterscheidet, so ist auch jeder G-Punkt anders beschaffen. Einige sind klein und zart und von der Vagina aus kaum zu ertasten. Andere wiederum sind eher groß und robust, sodass sie sich bei Stimulierung spürbar in die Vagina hinein vergrößern. Häufig hört man von Männern und Frauen, dass sie den G-Punkt nicht finden könnten. Das liegt daran, dass sie meist etwas suchen, was sofort orgasmusähnliche Gefühle auslöst. Doch die Sensibilität des G-Punktes ist von Frau zu Frau sehr unterschiedlich. Es gibt G Punkte, die nahezu taub sind, und andere, die sofort reagieren. Normalerweise jedoch ist der G-Punkt wie die männliche Prostata sehr erregbar. Es gibt viele Gründe, weshalb ein G-Punkt weniger sensibel reagieren kann. Und ebenso viele Möglichkeiten, seine Empfindsamkeit zu steigern. (Siehe dazu auch Kapitel 8. Dort wird die Frage der mangelnden Sensibilität des G-Punktes ausführlich diskutiert. Daneben finden Sie dort auch zahlreiche Möglichkeiten, seine Empfindsamkeit zu steigern.)
Haben auch Sie jahrelang geglaubt, die Klitoris sei verantwortlich für den weiblichen Orgasmus? Zumindest haben wir alle das so gelernt. Doch auch der G-Punkt kann intensive und sehr lustvolle Höhepunkte auslösen. Tatsächlich läuft der G-Punkt der Klitoris den Rang ab, wenn es um jene Zonen des weiblichen Geschlechtsorgans geht, die der Frau das meiste und vielschichtigste Vergnügen ver- schaffen. Diese Auffassung steht in Widerspruch zu den vorherrschenden Ansichten des 20. Jahrhunderts. Damals hieß es noch, die Vagina besitze nicht genügend Nervenenden, um einen Orgasmus auszulösen.
Der Orgasmusimpuls werde also von der Klitoris gesteuert. Der G-Punkt aber verfügt wie die Klitoris über eine eigene Nervenanbindung. Dieser Nerv wird in erster Linie durch die Vagina stimuliert.
Überrascht?
Die Klitoris steht mit dem Pudendusnerv in Verbindung, der GPunkt hingegen mit dem Beckennerv, einem der aktivsten Nerven im Körper. Jeder der beiden Nerven ist für eine bestimmte Art der Erregung bzw. des Orgasmus verantwortlich. Daher gibt es zwei verschiedene Arten des Orgasmus, die sich mitunter überlagern, je nachdem, wo die Frau am stärksten stimuliert wird. (Erfahren Sie mehr über die verschiedenen Arten des Orgasmus) Unten finden Sie eine Zeichnung, die das erektile Netzwerk um den häufigsten Typus der weiblichen Prostata illustriert.
Dies ist eine vollständige Darstellung des G-Punktes.
Aussagen über weibliche Ejakulation
Die folgenden Aussagen über weibliche Ejakulation von erfahrenen Ärzten und Wissenschaftlern von der Antike bis ins 20. Jahrhundert sind Josephine Lowndes Sevelys Buch Evas Geheimnisse entnommen. Sie bestätigen die Authentizität der weiblichen Erfahrung ebenso wie ihren besonderen Charakter und ihre Schönheit (sowie ihre Wirkung auf die Frau):
Galen (200 n. Chr.): Diese Flüssigkeit stimuliert nicht nur zum geschlechtlichen Akt, sondern besitzt auch die Fähigkeit, beim Austreten Lust zu verschaffen … (Lowndes Sevely, S. 79)
De Graaf (Anatom, 1672): Die Funktion der Prostata besteht darin, einen […] Saft zu erzeugen, der die Frauen mit seiner Schärfe und Salzigkeit wollüstiger und ihre Geschlechtsteile während des Koitus auf angenehme Weise gleitfähig macht […] Bei libidinösen Frauen strömt diese Flüssigkeit oft schon beim Anblick eines gut aussehenden Mannes aus. (Lowndes Sevely, S. 98f.)
Havelock Ellis (Psychologe, 1937): … eine Flüssigkeit, die manchmal in einem weit reichenden Strahl ausgestoßen wird. (Lowndes Sevely, S. 111)
Robert Dickenson (Gynäkologe, 1949): … glasklar, zäh und dickflüssig, aber nicht klebrig. (Lowndes Sevely, S. 122)
Ernst Gräfenberg (Urologe, 1950): … dass große Mengen einer klaren, transparenten Flüssigkeit nicht aus der Vulva, sondern aus der Urethra ausgestoßen werden. (Lowndes Sevely, S. 113)
Kermit E. Krantz (Urologe, 1950): einen kreisförmigen Strahlenregen (Lowndes Sevely, S. 121) zwei dünne, intermittierende Strahlen (wenn die Frau auf dem Rücken lag) (Lowndes Sevely, S. 121)
Wissenschaftler haben mittlerweile fast alle offenen Fragen über die weibliche Prostata und deren Ejakulat beantwortet. Wir wissen nun, dass der G-Punkt die weibliche Prostata mit ihrem erektilen Gewebe ein wichtiger Teil eines funktionstüchtigen, gesunden und ganzheitlichen Geschlechtsorgans der Frau ist. Wir wissen auch, dass die Klitoris mit ihrem erektilen Gewebe viel tiefer in den Körper hineinreicht als ursprünglich gedacht. Mehr als vierhundert Jahre lang stand die Wissenschaft auf dem Standpunkt, diese Organe seien nur rudimentäre Reste früherer Organe oder gar nicht vorhanden.
Wie wir im nächsten Abschnitt über den PC-Muskel erfahren werden, hat diese Haltung die Gesundheit der Frau nicht wenig gefährdet. Tatsächlich stellte sie eine ernste Gefahr für die Unversehrtheit und die Funktionsfähigkeit der weiblichen Geschlechts- und Fortpflanzungsorgane dar. Dieser Schleier absoluter Desinformation lüftet sich nun allmählich.
Die Beckenmuskulatur unterstützt die weibliche Ejakulation
Alice Ladas, Beverly Whipple und John Perry, die 1982 ihr berühmtes Buch Der G-Punkt veröffentlichten, kannten die Arbeiten von Gräfenberg und Sevely. Ihnen war klar, dass der G-Punkt ähnliche Merkmale aufwies wie die männliche Prostata. Sie gaben diesem noch weitgehend unbekannten, aber wesentlichen Teil der weiblichen Sexualanatomie nicht nur einen Namen, der sich bald allgemein durchsetzte, sondern beschrieben außerdem exakt, welche Muskeln und Nerven damit verbunden waren und welche Art des Orgasmus von diesem Punkt ausgelöst wurde. Ihr Buch war es, das den G-Punkt fest im Bewusstsein der Öffentlichkeit verankerte. Zwanzig Jahre lang war es das Standardwerk schlechthin zum GPunkt. Doch die Pionierarbeit der drei Wissenschaftler erstreckte sich nicht nur auf die Muskulatur, die die sexuelle Reaktion der Frau unterstützt, sondern auch auf das Phänomen der weiblichen Ejakulation.
Die Zeichnung unten zeigt die Muskeln, welche das klitorale Netzwerk erektilen Gewebes und die weibliche Prostata (sowie die anderen Organe des Fortpflanzungsapparates) stützen. Diese Muskelgruppe nennt man den Pubococcygeus-Muskel, kurz PC-Muskel. Von ihr hängt es ab, ob die Scheide feucht wird, ob die Erregung bis zum Orgasmus ansteigen kann und ob es zur Ejakulation kommt.
Messung der Beckenmuskulatur
Einem Geburtshelfer und Gynäkologen namens Dr. Arnold Kegel fiel auf, wie viele Frauen an Stress-Inkontinenz litten. Und so ersann er 1947 ein Instrument, das die Stärke der Becken-Muskulatur bei Frauen maß: das Kegelsche Perineometer. Es besteht aus einem kleinen, hohlen Gummikegel, der in die Vagina eingeführt wird. Die Frau presste den Gummikegel zusammen und konnte auf dem durch einen Schlauch mit dem Kegel verbundenen Luftdruckmessgerät ablesen, wie stark ihre Kontraktion war. So konnte sie lernen, die entsprechende Muskelgruppe gesondert zu trainieren. Aus diesem Grund nennt man die Übungen zur Stärkung des PC-Muskels auch Kegel-Übungen. (Kapitel 4 zeigt, wie Sie diese Übungen auch ohne Perineometer ausführen können.)
Kegel hatte Erfolg: 93 Prozent seiner Patientinnen mussten nicht operiert werden. Er hatte dieses erste Biofeedback-Gerät zu Hause am Küchentisch erfunden mit Hilfe seiner Frau natürlich. Seinen Apparat bot Dr. Kegel bis zu seinem Tod Mitte der 1970er Jahre für nur vierzig US-Dollar zum Kauf an. John Perry hält Dr. Arnold Kegel aufgrund seiner Methode und des von ihm ersonnenen Geräts noch heute für den Vater der Bio-Energetik. In seiner Praxis in einem Vorort von Los Angeles behandelte Dr. Kegel mehr als dreitausend Frauen. Über seine Arbeit schrieb und veröffentlichte er zahlreiche Artikel, doch das Perineometer fand bis 1975 keineswegs die Anerkennung, die es verdiente. Zwar probierten es einige Ärzte bei ihren Patientinnen durchaus mit Übungen zur Stärkung der Beckenmuskulatur, bevor sie ihnen zur Operation rieten, doch das Biofeedback-Gerät kam dabei nur selten zum Einsatz. Leider liegt die Erfolgsquote bei der Behebung von Inkontinenz ohne Biofeedback- Gerät nur bei 50 Prozent.
Perry-Perineometer
Erst 1975 gelang es Dr. John Perry, einem der Forscher, die Der GPunkt geschrieben hatten, die Arbeit von Dr. Kegel wieder aufleben zu lassen. Er selbst brachte zwanzig Jahre damit zu, das Perry-Perineometer zu erfinden. Dies ist eine High-Tech-Version von Kegels Gerät, das die Stärke des PC-Muskels mit elektromagnetischen Sensoren und einem Computerchip misst. Tausende von Kliniken in den USA setzen dieses Gerät mittlerweile ein. Perrys Wiederentdeckung der Kegelschen Arbeit inspirierte zahlreiche Gesundheitszentren und Selbsthilfegruppen inkontinenter Frauen. Mittlerweile hat sich auch die Haltung der Schulmedizin geändert. 1992 empfahl die U.S. Governmental Agency for Healthcare Research und Quality (Regierungsbehörde für Forschung und Qualitätskontrolle im Gesundheitswesen) in den USA den Ärzten, bei der Behandlung von Harn-Inkontinenz zuerst Biofeedback-Programme und andere sanfte Methoden zu nutzen, bevor sie ihren Patienten Medikamente und operative Eingriffe verordneten. Das Perry-Perineometer für die Selbstbehandlung können Sie auf der Webseite von Dr. Perry bestellen (siehe unter Empfehlungen & Tipps am Ende dieses Buches).
Der PC-Muskel steigert die Orgasmus-Reaktion
Ein starker, gesunder PC-Muskel steigert die Orgasmus-Reaktion und unterstützt die weibliche Ejakulation. Daneben verhindert er Stress-Inkontinenz und viele andere Krankheiten. Leider bringen sexuelle Tabus und traumatische sexuelle Erlebnisse Frauen dazu, die Existenz des PC-Muskels weitgehend aus dem Bewusstsein zu verdrängen. In den meisten Fällen wird er also nicht aktiv genutzt. Dies führt dazu, dass bei einem Großteil der Frauen der PC-Muskel entweder ständig angespannt ist oder umgekehrt längst seine Spannkraft verloren hat. Doch ein untrainierter PC Muskel kann bei zahlreichen Fortpflanzungsproblemen als mögliche Ursache gelten. Da das weibliche Ejakulat häufig fälschlich für Urin gehalten wurde, blieb die Diagnose Inkontinenz nicht aus.
Inkontinenz
Wenn man nicht zur Biofeedback-Methode greift, ist die häufigste Behandlung bei Inkontinenz ein operativer Eingriff, bei dem mitten durch die weibliche Prostata geschnitten wird. Die Entfernung der Gebärmutter kann die Prostata ebenfalls beschädigen. Mitunter wird sie gar mit entfernt. Beim Dammschnitt, der manchmal durchgeführt wird, um die Geburt zu erleichtern, führt der Schnitt mitten durch den Damm-Schwellkörper. Das hierdurch entstehende Narbengewebe verringert die Sensibilität der G-Punktes. Da die Harnröhre nicht als Teil des weiblichen Geschlechtsorgans galt und die weibliche Prostata noch unbekannt war, wurden operative Eingriffe in diesem Bereich meist ausgeführt, ohne darüber nachzudenken, welche Folgen sie haben und dass sie häufig das sexuelle Erleben der Frau beeinträchtigen können. Die Untersuchungen von Dr. Zaviacic haben ergeben, dass das weibliche Ejakulat die Harnröhre vor Schädigungen durch den Urin schützt. Auch für die Vagina ist solch ein vorbeugender Einfluss möglich.
Gut trainierter PC Muskel ist gesundheitsfördernd
Wenn man sich bewusst macht, dass 50 Prozent der Besuche beim Gynäkologen auf Grund von Infektionen der Blase bzw. der Vagina erfolgen und dass wieder 20 Prozent dieser Besuche auf chronische Infekte zurückzuführen sind (bei denen der Infekt zwischen drei- und zwölfmal pro Jahr aufflammt), dann wird wohl deutlich, dass mit dem Harn- und Geschlechtstrakt der Frau irgendetwas nicht stimmt. Und das liegt keineswegs daran, dass die Frau einfach falsch gebaut ist, wie mir ein Arzt in seiner Praxis mitteilte. Hier könnte ein gut trainierter PC-Muskel Abhilfe schaffen. Ein zu stark angespannter PC-Muskel hat zur Folge, dass der Beckenbereich weniger durchblutet wird. Damit aber lädt die Scheide Bakterien geradezu ein, sich zu vermehren. Übermäßige Spannung im PC-Muskel kommt häufig daher, dass Frauen das Ejakulat zurückhalten. Dr. Zaviacic diagnostizierte auch eine Stauung des Ejakulats in der Prostata, wenn Frauen bettlägerig waren und einen schwachen PCMuskel hatten.
In meinem Videofilm How to Female Ejaculate: Find Your G-Spot berichtet Dr. Bell, wie sie ihren PC-Muskel in Form hält:
„Als ich zu ejakulieren lernte, konnte ich meine Vaginalmuskeln kaum kontrahieren. Also machte ich Übungen und spannte, wann immer ich konnte, die Muskeln meiner Muschi an, um sie gleich wieder zu entspannen. Ich machte drei solche Übungssequenzen pro Tag, bei denen ich jeweils hundert Kontraktionen durchführte. Es dauerte ein paar Monate, aber danach konnte ich quer durchs Zimmer ejakulieren! Und auch meine Orgasmen sind tiefer geworden!“
Dr. Perry ersann noch ein weiteres Gerät: den Gebärmutter-Myographen. Dieser wird über den Muttermund gestülpt und misst die Muskelaktivität der Gebärmutter. Er und Dr. Whipple entdeckten einen Gebärmuttermuskel, der sich unabhängig vom PC-Muskel zusammenzieht. Interessanterweise konnte nur eine kleine Gruppe von Frauen die Gebärmuttermuskulatur vom PC-Muskel unterscheiden. Diese wichtigen Forschungsergebnisse von Dr. Perry und Dr. Whipple führten dazu, dass der Muskulatur im Beckenbereich heute mehr Aufmerksamkeit zuteil wird.
Der G-Punkt-Nerv
Da die menschlichen Sexualorgane so vielschichtig und mit Muskeln, Nerven und dem Gehirn verbunden sind, ist bei der sexuellen Erregung und beim Orgasmus der ganze Körper angesprochen. Es kommt zu intensivem erotischen Erleben und einem ganzen Kaleidoskop von Emotionen. Doch die berühmten Studien des 20. Jahrhunderts, die tatsächlich wesentlich zu einem neuen Erleben weiblicher Sexualität beitrugen, unterschätzten bei weitem die Bedeutung des Orgasmus für die Frau. Daher kennen auch heute viele Frauen ihr orgastisches Potenzial weder in der Theorie noch in der Praxis. Bis zur Studie von Ladas, Whipple und Perry über den G-Punkt und die Ejakulation glaubte man, dass beim weiblichen Orgasmus nur der Pudendusnerv, der die Klitoris, den äußeren Teil des Geschlechtsorgans und das vordere Drittel des PC-Muskels innerviert, eine Rolle spiele.
Beckennerv
Der Beckennerv hingegen steht mit der Harnröhre, der weiblichen Prostata bzw. dem G-Punkt, der Blase, der Gebärmutter und den beiden hinteren Dritteln des PC-Muskels in Verbindung. Sowohl der Pudendus- als auch der Beckennerv können einen Orgasmus auslösen, doch die Reaktionen unterscheiden sich stark. Obwohl die Forschungen zu diesem Thema keineswegs abgeschlossen sind, legen die persönlichen Erfahrungen zahlreicher Frauen mit diesen beiden Formen des Orgasmus nahe, dass der Beckennerv für die tiefere emotionale Erfahrung eines G-Punkt-Orgasmus verantwortlich ist. Sowohl der Pudendus- als auch der Beckennerv sind Teil des 12. Hirnnervs, des Hypoglossus, welcher die Bewegungen der Zunge kontrolliert.
Vagusnerv
Doch beim G-Punkt-Orgasmus spielt auch der Vagusnerv, der 10. Hirnnerv, eine Rolle. 2002 veröffentlichten Dr. Whipple (die zu den Autoren von Der G-Punkt gehörte) und B. R. Komisaruk im Journal of Sex and Marital Therapy, Ausgabe 28, einen Artikel mit der Überschrift: Brain (PET) Responses to Vaginal-Cervical Self- Stimulation in Women With Complete Spinal Cord Injury (Deutsch: Wie das Gehirn von Frauen mit durchtrenntem Rückenmark auf vaginal-cervicale Selbststimulierung reagiert eine computertomographie- gestützte Untersuchung). Mit Hilfe von Computertomographie und Kernspintomographie stellten die Wissenschaftler fest, dass die sensorischen Vagusnerven bei der Weiterleitung von Reizen vom Geschlechtsorgan zum Gehirn aktiv sind, wodurch das Rückenmark umgangen wird. In einem aktuellen Forschungsprojekt versuchen sie, mit Hilfe der Funktionellen Kernspintomographie herauszufinden, was im Gehirn während eines durch Stimulierung von Vagina und Gebärmutterhals herbeigeführten Orgasmus passiert.
Fazit ist also: Über den Zusammenhang zwischen Sexualität und diesen Teil des Gehirns gibt es noch viel zu lernen. Wenn der Beckennerv tatsächlich mit jenem Teil des Gehirns in Verbindung steht, in dem Forscher hoffen, eines Tages das Bewusstsein lokalisieren zu können, dann sind die potenziellen Fähigkeiten, über die die noch unerschlos – sene Quelle unserer sexuellen Energie verfügt, gar nicht auszudenken.
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