Weibliche Ejakulation

Weibliche Ejakulation

Was ist weibliche Ejakulation?

Die weibliche Ejakulation ist eine machtvolle, gesunde und geheimnisvolle sexuelle Reaktion im Körper der Frau. Frauen können Ejakulationsflüssigkeit durch die Harnröhre ausstoßen, wenn sie erregt sind und/oder einen Orgasmus haben. Wer dies schon erlebt hat, beschreibt es meist als ein „Überfließen“ des Körpers. Bis vor kurzem herrschte ein großer Informationsnotstand in der Öffentlichkeit, was dieses Phänomen anbelangte. Erste Lösungsansätze für das Rätsel der weiblichen Ejakulation und des G-Punktes gab es bereits in den frühen 1980er Jahren. Amerikanische Wissenschaftler lenkten mit drei bahnbrechenden Studien das Bewusstsein der Öffentlichkeit auf die weibliche Ejakulation: Die erste stammte von Josephine Lowndes Sevely und beschäftigte sich mit den historischen Dimensionen des Phänomens. Die Untersuchung erbrachte den Nachweis, dass die weibliche Ejakulation bereits im 17. Jahrhundert bekannt und von Wissenschaftlern diskutiert worden war. Auch ihre Quelle, die weibliche Prostata, war genauestens untersucht und beschrieben worden.

Stimulierung des G-Punktes kann Ejakulation auslösen

Die zweite Studie wurde von der Federation for Feminist Women’s Health Care Centers (Zusammenschluss der Frauengesundheitszentren) veröffentlicht und hatte in erster Linie die Klitoris zum Gegenstand. Sie stellte fest, dass sich der größte Teil der Klitoris im Körper befindet. In der dritten Studie schließlich präsentierten die Sexualwissenschaftler Ladas, Whipple und Perry ihre Forschungsergebnisse. Sie hatten einen sensiblen Punkt in der Vagina entdeckt, dessen Stimulierung eine Ejakulation auslösen konnte. Diesen Punkt nannten sie den „G-Punkt“ (nach seinem Entdecker, dem deutschen Forscher Ernst Gräfenberg). Sie legten dar, wie das Zusammenspiel dieses Bereiches mit Muskeln und Nerven funktioniert, und entdeckten, dass dieser Punkt eine eigene Form des Orgasmus auslöst. Für nähere Informationen lesen Sie unsere Anleitung zum Squirten. Weitere revolutionäre Forschungsarbeiten zur weiblichen Ejakulation kamen aus Europa. Eine wissenschaftliche Untersuchung des österreichischen Forschers Dr. Karl Stifter zeigte, dass dieser Punkt auch in anderen Kulturen bekannt war und entsprechend geehrt wurde. Die Studie enthielt außerdem chemische Analysen der weiblichen Ejakulationsflüssigkeit.

Der G-Punkt ist das weibliche Äquivalent der Prostata

Der Spanier Dr. Francisco Santamaria Cabello stellte die These auf, dass alle Frauen ejakulierten, bei manchen liefe die Flüssigkeit nur „zurück“, also in die Blase hinein. Die bedeutsamste Studie aber stammt von dem slowakischen Forscher Dr. Milan Zaviacic. Er setzte den Spekulationen über den G-Punkt und die weibliche Ejakulation ein für alle Mal ein Ende, indem er nachwies, dass der G-Punkt das weibliche Äquivalent der Prostata ist. Dr. Zaviacic untersuchte die Struktur des Punktes ausführlich. Er führte Analysen der Ejakulationsflüssigkeit durch und legte dar, welche Rolle das Organ bei der Hormonproduktion spielt bzw. in welcher Beziehung die weibliche Ejakulation zur Fruchtbarkeit der Frau steht.

All diese Entdeckungen führten zu einem dramatischen Wandel in der Betrachtungsweise des weiblichen Sexualorgans, seiner Funktion und Reaktionsweise. Für Frauen begann damit ein wichtiger Prozess, innerhalb dessen sie ihre sexuellen Fähigkeiten wiederentdeckten und zurückeroberten und der bis heute nicht abgeschlossen ist. Vielleicht ging das allgemeine Unbehagen der Frauen an der ihnen gesellschaftlich zugewiesenen Rolle –das Betty Friedan, Pionierin der modernen Frauenbewegung, in ihrem 1963 erschienenen Buch Der Weiblichkeitswahn oder die Selbstbefreiung der Frau als „Problem ohne Namen“ bezeichnete –ja auf die nahezu vollständige Unkenntnis des anatomisch so wichtigen Teils der weiblichen Sexualorgane zurück.

Die Tatsache, dass nun endlich die gesamte weibliche Sexualanatomie bekannt und in ihrer Funktionsfähigkeit anerkannt war, trug jedenfalls eine Menge dazu bei, dass die Selbstachtung der Frauen stieg und sie ihre Persönlichkeit veränderten. Für die Identität der Frauen war dies ein gewaltiger Sprung nach vorn. Das vorliegende Kapitel soll Frauen und Männern gleichermaßen helfen, die körperlichen Grundlagen und die Möglichkeiten, welche das weibliche sexuelle Lustzentrum erschließt, besser zu verstehen.

Viele Frauen ejakulieren aber nicht alle wissen es

Viele Frauen ejakulieren, ohne der Sache Beachtung zu schenken, oder sie hielten das Ejakulat gar fälschlicherweise für Urin. Nähere Infos zu um zwischen Ejakulation und Pinkeln zu unterscheiden finden Sie in unserem Artikel. Frauen können während eines Aktes mehrfach ejakulieren. Sehr häufig nimmt die Menge des Ejakulats dabei sogar zu, wenn der GPunkt immer weiter stimuliert wird. Das Ejakulat kann auch mehr werden, wenn die Frau ein besseres Gefühl für ihren G-Punkt entwickelt und lernt, „es einfach fließen zu lassen“. Wie viel Flüssigkeit ausgestoßen wird, ist von Frau zu Frau unterschiedlich. Dabei spielen verschiedene Faktoren eine Rolle: der Tag des Zyklus, an dem ejakuliert wird; wie stark ihre Prostata/ihr GPunkt stimuliert wird; ihre Einstellung zu der sexuellen Begegnung; ihre Erfahrung mit und ihre Einstellung zur Ejakulation; die Stärke ihrer Beckenmuskulatur; die Art, wie ihre Erregung gesteigert wird, und die Frage, ob sie dabei einen Gegenstand in der Vagina hat, einen Dildo etwa oder ein männliches Glied.

„Warum ejakulieren manche Frauen und andere nicht?

Das ist eine Frage, die häufig gestellt wird. Ich für meinen Teil glaube, dass alle – oder die meisten – Frauen ejakulieren, aber nicht alle merken es. Viele halten die Flüssigkeit für Urin oder Vaginalflüssigkeit. Manche glauben gar, sie seien inkontinent. Andere Frauen kontrollieren ihre Ejakulation, indem sie die Flüssigkeit in die Blase „zurückdrängen“, statt sie durch die Harnröhre abfließen zu lassen. Manche Frauen ejakulieren aus körperlichen oder emotionalen Gründen nicht, obwohl sie, anatomisch betrachtet, die Fähigkeit dazu hätten. All das wird in Kapitel 8 ausführlich besprochen. Einige Frauen allerdings können nicht mehr ejakulieren, weil ihr G-Punkt (ihre Prostata) aufgrund eines chirurgischen Eingriffs beschädigt wurde. Andere müssen feststellen, dass ihr PC-Muskel zu wenig trainiert ist und sie deshalb nicht ejakulieren können. (Siehe dazu den Abschnitt „Die Beckenmuskulatur unterstützt die weibliche Ejakulation“. Hier wird erklärt, wie Sie dieses Problem mit einigen einfachen Übungen lösen können.) Dazu kommt außerdem, dass der klitorale Orgasmus nichts mit dem Beckennerv zu tun hat. Deshalb wird auch der PC-Muskel nicht zur Kontraktion angeregt und es kann nicht zur Ejakulation kommen. (Weitere Informationen über diese Nerven finden Sie im Abschnitt „Der G-Punkt-Nerv“.)

Ein Grund, weshalb viele Frauen nur wenig ejakulieren, mag darin liegen, dass die weibliche Prostata darauf trainiert wird, wenig Flüssigkeit zu produzieren, wenn Frauen unbewusst deren Ausstoß verhindern, weil sie glauben, pinkeln zu müssen. Dieses angelernte Verhalten, das am Ende beinahe automatisch abläuft, führt dazu, dass der PC-Muskel ständig unter Spannung steht oder vielleicht nur noch schwach entwickelt ist. Manche Frauen vermeiden gar jede Form von sexueller Erregung, weil sie den Drang zu urinieren nicht spüren wollen. (Beim Liebesspiel ist das Gefühl, pinkeln zu müssen, gewöhnlich der Drang zu ejakulieren.) Eine hochinteressante Studie, die der Sexualwissenschaftler und Psychologe Dr. Francisco Santamaria Cabello 1997 in Spanien durchführte, geht von der These aus, dass viele Frauen bei sexueller Erregung quasi „rückwärts ejakulieren“. Dr. Cabello untersuchte den Blaseninhalt von 24 Frauen vor und nach dem Orgasmus auf ein prostataspezifisches Antigen (PSA), das ein Hinweis darauf ist, dass eine Ejakulation stattgefunden hatte. Obwohl nur 3 von den 24 getesteten Frauen bewusst ejakulierten, war bei 75 Prozent aller nichtejakulierenden Frauen das Antigen in der Blase in einer höheren Konzentration nachweisbar als vor dem Orgasmus. Diese Untersuchungsergebnisse erklärte Dr. Cabello mit der „Rückwärts-Ejakulation“, bei der das Ejakulat in die Blase abgegeben und nicht ausgestoßen wird.

Einige Forschungsarbeiten legen nahe, dass dieser Vorgang (wie beim Mann) für zahlreiche Blaseninfektionen verantwortlich sein könnte. Überrascht es Sie, dass die Ejakulation so kontrolliert und umgeleitet werden kann? Was man üblicherweise über die Ejakulation erfährt, erweckt allerdings den Eindruck, sie sei erstens nur Männern möglich und könne zweitens nicht kontrolliert werden. In Wirklichkeit können sowohl Männer als auch Frauen selbst bestimmen, ob sie ejakulieren oder nicht. Sowohl Männer als auch Frauen können ohne Orgasmus ejakulieren. Viele Männer können ihre Ejakulation kontrollieren. In manchen Kulturen galt das sogar als gesellschaftlich anerkannte Praxis. Frauen werden bald herausfinden, dass sie auch ohne Orgasmus ejakulieren können und dass dies beim Liebesspiel nicht nur einmal geschehen muss. Sich für oder gegen die Ejakulation zu entscheiden ist für die meisten Frauen ein wichtiger Schritt zu mehr sexueller Selbstbestimmung. Wenn sie sich für die Ejakulation entscheidet, nutzt die Frau ihre Freiheit, jene anatomischen Anlagen, mit denen sie geboren wurde, zur Steigerung ihrer Lust und ihres Wohlbefindens einzusetzen. Darüber hinaus trägt sie damit zur Steigerung von Lust und Wohlbefinden des Partners bei, wie wir in den folgenden Kapiteln sehen werden.

Entscheidet sie sich gegen die Ejakulation, so trifft sie immer noch die bewusste Wahl, diese Erfahrung aufzuschieben oder – aus welchen Gründen auch immer – für sich nicht zu nutzen. Viele Frauen, die anfangen, sich mit dem Thema „Ejakulation“ auseinander zu setzen, stellen fest, dass sie schon häufig ejakuliert haben, ohne dass sie es bemerkt hätten. Dies liegt daran, dass viele Frauen unmittelbar vor dem Orgasmus ejakulieren, der dann das Gefühl der Ejakulation überlagert. Die Ejakulation macht den Orgasmus nicht automatisch intensiver oder befriedigender. Allerdings sorgt sie dafür, dass das Becken sich mehr entspannt.

Das weibliche Sexualorgan

Das bekannte kleine Knöpfchen, das wir Klitoris nennen, ist nur der sichtbare Teil eines höchst kostbaren Organs, das tief in den weiblichen Körper hineinführt. 1981 veröffentlichte die Federation of Feminist Women’s Health Care Centers ein bahnbrechendes Buch mit dem Titel A New View of a Womans Body. Darin wurde zum ersten Mal ein Netzwerk erektilen Gewebes vorgestellt, das in anderen Anatomiebüchern keine Berücksichtigung findet. Suzann Gage, eine examinierte Krankenschwester, schuf Illustrationen dieses verborge- nen Schatzes und nannte ihr Werk dann: Neues Bild der weiblichen Klitoris. Dieses Netz aus schwammartigem Gewebe füllt sich mit Blut und wird größer, wenn eine Frau sexuell erregt wird. Neben den bekannten und ausreichend beschriebenen Teilen der Klitoris Perle, Schaft und Schenkel – benannte die Federation auch die bislang unbekannten Teile: den Teil, der um die Harnröhre liegt (Schwellkörper der Harnröhre); den Teil unter den inneren Schamlippen (Kolben) und den weniger dichten Teil des Gewebes, der zwischen Vagina und Anus liegt (Schwellkörper des Damms oder Perineums). Die Illustrationen auf der folgenden Seite zeigen einen Querschnitt durch die Klitoris – einmal im erregten und einmal im nicht erregten Zustand. Die Arbeit der Federation war nicht einfach.

Klitoris

Während die Forscherinnen an ihrem Buch arbeiteten, stießen sie auf zahlreiche „weiße Flecken“ auf der Landkarte der weiblichen Genitalien, ob es sich nun um europäische oder amerikanische Lehrwerke handelte: Tatsächlich war der Penis zwar bis ins kleinste Deteil untersucht worden, die weiblichen Genitalien hingegen waren weitgehend unerforschtes Gebiet. Mittlerweile hatte auch Dr. Josephine Lowndes Sevely ihre ausführliche, über zehn Jahre dauernde und von der Universität von Harvard finanzierte Untersuchung abgeschlossen, die 1986 unter dem Titel Eve’s Secrets (deutsche Ausgabe: Evas Geheimnisse) in die Buchhandlungen kam. Sevely bot einen neuen Blick auf die Klitoris. Sie bezog auch die weibliche Prostata in ihre Untersuchungen mit ein, dabei wandte sie die klassische Vorgehensweise innerhalb der Medizin an, weibliche und männliche Teile des Körpers gleich zu benennen. In ihrer Untersuchung behandelte sie das Netzwerk der Klitoris – die weibliche Prostata –, die Harnröhre und die Vagina als miteinander verbundene Elemente des weiblichen Sexualorgans. Das Resultat war ein in allen Teilen funktionsfähiges weibliches Sexualorgan, das in seinem Aufbau, seiner Größe, Struktur und Funktion der des Penis ähnelte und von der Medizin endlich als solches anerkannt wurde.

Querschnitt Klitoris

Querschnitt durch das Netzwerk erektilen Gewebes (Klitoris)

 

Klitoris Erregter Zustand

Querschnitt durch das Netzwerk erektilen Gewebes im erregten Zustand (Klitoris)

Doch diese neue Sicht auf die Anatomie des weiblichen Sexualorgans blieb nicht die einzige Leistung von Lowndes Sevely. Sie setzte sich auch intensiv mit der Geschichte der weiblichen Ejakulation auseinander. So fand sie heraus, dass dieses Phänomen bereits in Werken altgriechischer Philosophen und Wissenschaftler erwähnt wurde. Sie dokumentierte vierzehn anatomische Untersuchungen der weiblichen Prostata von westlichen Wissenschaftlern, von De Graaf, der die weibliche Prostata 1672 „entdeckte“, bis zu Gräfenberg. Die bekannteste dieser Untersuchungen ist zweifelsohne die des Arztes Dr. Alexander Skene, die dieser im Jahr 1880 der Öffentlichkeit vorstellte. Dr. Skene fand zwei Drüsen in der Harnröhre, welche Prostataflüssigkeit ausstießen. Obwohl er deren Ähnlichkeit mit der männlichen Prostata festgestellt hatte, kam er zu der Ansicht, dass sie keine Funktion hätten. Er hielt sie also für entwicklungsgeschichtliche Relikte der männlichen Prostata, die nicht mehr voll ausgebildet und daher funktionslos waren.

Sein Verdienst bestand in erster Linie darin, dass er entdeckte, dass diese Drüsen anschwellen und ejakulieren können. Dass die Skene-Drüsen (wie die weibliche Prostata in der Vergangenheit häufig genannt wurde) als nicht-funktionsfähig eingeschätzt wurden, führte dazu, dass die Medizin lange Zeit annahm, dass es keine weibliche Ejakulation gäbe. Heute ist das anders. Medizinstudenten und medizinisches Personal wissen über den Aufbau der Klitoris Bescheid. Als eine Krankenschwester während ihrer Ausbildung in New York die Möglichkeit bekam, bei der Sezierung einer Klitoris dabei zu sein, registrierte sie erstaunt, welcher Anblick sich ihr hier bot: „Als die Klitoris aufgeschnitten wurde, sahen wir, dass sie tief in den Körper hineinreichte. Ich war zutiefst verblüfft, als mir klar wurde, dass der sichtbare Teil nur die Spitze des Eisbergs war. Und sofort empfand ich tiefen Respekt vor diesem Organ, das ich immer nur als vergleichsweise kleine erogene Zone erlebt hatte.“

Woher kommt das Ejakulat der Frau?

Lassen Sie uns also auf Entdeckungsreise gehen durch das neu erforschte Sexualorgan der Frau, damit wir besser verstehen, wo und wie es zur weiblichen Ejakulation kommt. Wir beginnen mit der Entstehung des Ejakulats in der Prostata, sehen uns seine chemische Zusammensetzung an und beschäftigen uns mit der Rolle, die der G-Punkt beim Auslösen der Ejakulation spielt. Bei Männern gleicht die Prostata in Größe und Form einer Kastanie. Sie liegt in der Nähe der Harnblase, umschließt die Harnröhre und enthält zahlreiche Drüsen und Gänge, durch welche das Ejakulat in die Harnröhre geleitet wird. Wie die männliche besitzt auch die weibliche Prostata Drüsen, die Ejakulationsflüssigkeit produzieren, und Gänge, durch welche diese in die Harnröhre austritt.

Die weibliche Prostata

Die weibliche Prostata ist viel kleiner als die männliche, dafür aber länger. Sie ist in die Wand der Harnröhre eingebettet. Bei den meisten Frauen liegt sie in der Nähe der Harnröhrenmündung (siehe Illustration S. 60 oben). Üblicherweise hat sie etwa vierzig Drüsen und Gänge – mehr als dreimal so viel wie das männliche Organ. Nachdem das Ejakulat von der weiblichen Prostata in die Harnröhre ausgestoßen wurde, kann es in zwei Richtungen abfließen: durch die Harnröhre hinaus (sichtbare, spürbare Ejakulation) oder in die Blase („Rückwärts-Ejakulation“). Im ersteren Fall wurde das Ejakulat oft fälschlich für Urin gehalten, weil Frauen nicht wissen, dass aus ihrer Harnröhre noch etwas anderes fließen kann. Der Urin, der Schlacken aus dem Körper abtransportiert, kommt aus den Nieren und sammelt sich in der Blase.

Ausscheidung

Das weibliche Ejakulat, das keine Abbauprodukte des Stoffwechsels enthält, wird von der Prostata ausgeschieden. Sowohl Männer als auch Frauen scheiden Urin und Ejakulat durch die Harnröhre aus. Trotzdem sind beide Flüssigkeiten unterschiedlich. Wissenschaftler haben nachgewiesen, dass Frauen zwischen 35 und 275 Milliliter Ejakulat ausstoßen. Doch auch größere Mengen von bis zu 400 Milliliter während eines Sexualaktes sind möglich. Normalerweise handelt es sich dabei um Mehrfach- Ejakulationen nach ausgiebiger Stimulierung. Der niederländische Anatom Regnier de Graaf skizzierte schon 1672 die weibliche Prostata, wobei er viele Ejakulationsgänge feststellte. De Graaf war der Erste, der die Prostata als Quelle des weiblichen Ejakulats ausmachte.

Doch erst die multidisziplinären Studien, die der slowakische Arzt Dr. Milan Zaviacic in den letzten zwanzig Jahren durchführte, hatten zur Folge, dass die weibliche Prostata als voll funktionsfähiges Organ angesehen wurde. Der medizinische Fachbegriff – weibliche Prostata – findet mittlerweile zunehmend Anerkennung seitens der etablierten Schulmedizin. So beschloss das Federative International Committee on Anatomical Terminology (Deutsch: Internationales Komitee für Anatomische Terminologie) auf seiner Jahrestagung im Jahr 2001 in Orlando, USA, den Begriff „weibliche Prostata“ in seiner Fachzeitschrift Histology Terminology verbindlich vorzuschreiben.

Dr. Zaviacic, Professor für Pathologie und forensische Medizin an der Comenius-Universität in Bratislava (Slowakei), führte seine umfangreichen Studien zur weiblichen Prostata von 1982 bis 1999 durch. Sein 1999 veröffentlichter Bericht The Human Female Prostate: From Vestigial Skene’s Paraurethral Glands and Ducts to Woman’s Functional Prostate (Deutsch: Die weibliche Prostata: von Skenes rudimentären paraurethralen Drüsen zu einem voll funktionsfähigen Organ; leider nicht im Buchhandel erhältlich) enthält Dutzende von Farbfotos über die Zellstruktur dieses Organs. In seinem Buch zeigt Dr. Zaviacic, dass die weibliche Prostata ein voll funktionsfähiges Organ des Urogenital Traktes ist, das auf eine ganz bestimmte Weise aufgebaut ist und eine entsprechende Symptomatik aufweist: „Vergleicht man sie mit dem männlichen Gegenstück, so [hat] die weibliche Prostata eine ähnliche Struktur, es liegen ähnliche Prostata-Marker [und] ähnliche Enzyme vor …“ Dr. Zaviacic stellte fest, dass die weibliche Prostata zwei Funktionen hat: eine exokrine (die Produktion der Prostata-Flüssigkeit, d. h. des weiblichen Ejakulats) und eine neuro-endokrine (die Produktion von Hormonen).

Die wichtigste Aufgabe der weiblichen Prostata ist es, das weibliche Ejakulat zu produzieren, zu sammeln und auszustoßen. Ihre sekundäre Aufgabe ist es, Hormone zu produzieren. (In den Gängen der Prostata findet man reichlich neuro-endokrine Zellen, die Eiweißketten herstellen, die als Hormone wirken.) Welche Bandbreite an Hormonen die androgen-abhängige männliche Prostata herstellen kann, ist bekannt, für die weibliche Prostata hingegen konnte bislang nur die Produktion von Serotonin nachgewiesen werden. Weitere Forschungsarbeiten könnten beispielsweise aufzeigen, dass die weibliche Prostata auch Östrogene herstellt bzw. eine zentrale Rolle im weiblichen Hormonsystem spielt.

Formen der weiblichen Prostata

1948 schuf der Gynäkologe Dr. J. W. Huffman nach der Autopsie einer Frau einen Abguss von einer weiblichen Prostata. Er entdeckte dabei zweiunddreißig Gänge, die in die Harnröhre münden, die meisten davon im vorderen Drittel. Die Illustration auf Seite 65 zeigt ein Modell des Organs, das man zu jener Zeit noch „Paraurethrale Drüse“ nannte. Es wird heute noch benutzt, um die am häufigsten
anzutreffende Form der weiblichen Prostata sowie deren Sitz aufzuzeigen.

Meatus-Typ

Dr. Zaviacic schätzt, dass etwa 70 Prozent der Frauen eine Prostata in der hier aufgezeigten „Rampenform“ haben, die das Huffman’sche Modell von 1948 erkennen ließ. Bei diesem so genannten „Meatus-Typ“ liegt der dickere Teil der „Rampe“ (des Prostatagewebes) nahe der Harnröhrenmündung, also am Vaginaleingang.

Meatus-Typ der weiblichen Prostata

Meatus-Typ der weiblichen Prostata

Posteriorer Typ

Etwa 15 Prozent der Frauen haben eine Prostata vom „Posterioren Typ“. Auch dieser ist rampenförmig, doch der dickere Teil des Gewebes liegt im hinteren (posterioren) Teil der Harnröhre, nahe der Blase. Mehr als drei Viertel aller Frauen haben also eine Prostata in „Rampenform“.

Posteriorer Typ der weiblichen Prostata

Posteriorer Typ der weiblichen Prostata

Weibliche Prostata mit mittigem Schwerpunkt

Doch es gibt noch zwei andere Formen der Prostata, auch wenn diese wesentlich seltener vorkommen: Eine könnte man „Prostata mit mittigem Schwerpunkt“ nennen. Bei etwa 7 Prozent der Frauen liegt diese Form des Organs vor, bei der Drüsen und Gänge gleichmäßig über die ganze Länge der Harnröhre verteilt sind, mit einer leichten Konzentration in der Mitte. Bevor Dr. Zaviacic seine umfangreichen Studien veröffentlichte, galt dieser Typ als der häufigste. Das könnte ein Grund sein, weshalb so viele Frauen ihren G-Punkt nicht finden. Sie suchen ihn zu weit hinten in der Vagina. Am häufigsten ist jedoch die Meatus-Form, bei der sich die Verdickung gleich am Vaginaleingang in der Nähe der Harnröhrenmündung befindet. Oder sie gehen bei der Suche nicht weit genug nach hinten. Dort nämlich findet sie sich beim Posterioren Typ.

Weibliche Prostata mit mittigem Schwerpunkt

Weibliche Prostata mit mittigem Schwerpunkt

Die zweite eher seltene Form der Prostata wird „Rudimentäre Prostata“ genannt. Sie findet sich bei 8 Prozent der Frauen. Da dieser Typ sehr wenige Drüsen und Gänge aufweist, ist er eher klein. Nichtsdestotrotz zeigt auch dieser Typ wenigstens eine Drüse oder einen Drüsengang, meist sogar mehrere. Dr. Zaviacic geht davon aus, dass die Nähe der Prostata zur Vagina dafür sorgt, „dass der Inhalt der Drüsen und Gänge durch den mechanischen Druck des Penis oder durch Kontraktion der Muskeln um die Harnröhre während des Orgasmus ausgestoßen werden kann“. (Wir werden im nächsten Kapitel lernen, wie man durch Stimulierung mit der Hand oder einem Sexspielzeug Ejakulat erzeugen und mit den Fingern den Ausstoß bewirken kann.) Kleine Mengen Ejakulat können auch während der sexuellen Erregung, durch körperliche Betätigung oder beim Urinieren ausgeschieden werden.

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